Rezensionen zum Buch

Du, meine Rose, bist das All für mich

Aus der Rezension von Stefana Sabin in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 13./14. Oktober 2007

Mertes agiert mit sprachlicher Sicherheit, wenn er die semantischen Mehrdeutigkeiten des Originals wiederzugeben und zugleich das für die Gattung spezifische Metrum und Reimmuster beizubehalten versucht ... Er schraubt die elaborierte Diktion herunter, indem er alltagssprachliche Formulierungen, Neologismen und Fremdwörter einführt. So gelingt es ihm manchmal, den tradierten Text geschickt zu aktualisieren, etwa bei der Übersetzung des berühmten Sonetts 66 "All dessen müd, fleh ich den Tod herbei", das fast wie ein modernes Protestgedicht wirkt ... Tatsächlich übersetzt Mertes nicht nur Liebesgedichte, sondern auch erotische Lyrik und er bemüht sich, entsprechende Konnotationen und Assoziationen besonders auszuarbeiten. "Shakespeares Sonette explorieren das Universum des Eros", so Mertes in seinem Kommentar, den er mit philologischer Gelassenheit gestaltet, wenn er bei aller Belesenheit eher immanent vorgeht. Er interpretiert die Gedichte einzeln und gruppiert sie thematisch, und er erläutert die differenzierte Liebesmetaphorik und -motivik. Aber nicht der Kommentar ist das Verdienst von Michael Mertes, sondern die neue Übersetzung, in der er den Sonetten eine sprachaktuelle Frische verleiht.

Aus dem Nachwort des Büchnerpreisträgers Arnold Stadler

Täusche ich mich, wenn ich vermute, dass es auch für Sie ein Vergnügen war, ja manches Mal ein Glück, die Shakespeare-Sonette in der Übersetzung von Michael Mertes gelesen haben zu dürfen?

Es handelt sich um einen ganz originären Entwurf, welcher dem Original so nahe kommt, dass wir es beim Lesen vergessen, und auch vergessen, dass es ein Original gibt, solange wir in Du, meine Rose, bist das All für mich lesen. Ich glaube, das hätte Shakespeare gefallen. Er hätte vielleicht sogar zu träumen begonnen beim Innewerden dessen, dass man es auch auf deutsch so schön und wahr sagen kann.

Aus der Rezension von Manfred Osten in der Literaturbeilage des „Rheinischen Merkur“ vom 7. Dezember 2006

Michael Mertes gelingt das Kunststück, [dem] unerschöpflichen stilistischen und emotionalen Kosmos der Shakespeareschen Sonette geduldig bis in verborgenste Winkel nachzuspüren. Das Ergebnis dieser hochentwickelten Empathie findet sich auch in Mertes’ stupendem Kommentar zu den Sonetten. Allein die Lektüre des weitgefächerten Spektrums dieser Erläuterungen verleiht der sorgfältig edierten und bibliophil gedruckten Publikation den Wert einer Rarität.

Mertes’ Übertragung und Kommentar sind begleitet von einem Nachwort Arnold Stadlers, das durch Einfühlung und Kennerschaft der Sonette überzeugt und zudem Einsichten ... aus der Tiefe der Shakespeareschen Poesie ermöglicht.

Aus der Rezension von Jürgen Gutsch in „literaturkritik.de“, Januar 2007

Mertes geht seine Aufgabe „naiv“ an, das heißt zunächst ohne allen Kotau vor anglistischen Verhältnissen, und - wie es scheint - auch nicht vor sprachgewaltigen Vorgängern wie Gottlob Regis oder Stefan George. Das ist auch vollkommen richtig so - schon deshalb, weil die professionelle Anglistik an Übersetzungen ohnehin nicht mehr sonderlich interessiert ist, seit jedermann Englisch kann ... Die Amateur-Übersetzer mögen die kritischen Ausgaben des Originaltextes ... neben sich auf den Schreibtisch liegen haben und daraus argumentieren, am Ende haben wir aber doch nicht nur einen neuen Kommentar, sondern auch eine konkrete neue Textgestalt vor uns. Hier gibt es dann keine Faxen mehr, und der neue Text hat für sich gerade zu stehen, er hat jedenfalls etwas Neues zu bieten. Er mag, wenn er dazu auch noch gut gelungen ist, sogar von der Sonne beschienen sein. Dieses Doppelglück des Verstehens und des Redens ist Michael Mertes beschieden ...

Das Hauptcharakteristikum seiner Arbeit ist ihre einfache, „ungeschraubte“, ja meist ganz und gar alltägliche Sprache. Solches herzustellen, ohne dabei ständig den Quelltext einzuebnen - das geschieht nur ganz selten - ist eine Leistung ... [Dies] bringt unentwegt einen frischen Ton in den Text, der uns aus dem 19. Jahrhundert herausholt ...

Ein Wort noch zu seinen ausführlichen Anmerkungen: Wie sein Text sich an moderner Sprachlichkeit orientiert, erläutert der Übersetzer seinen Gegenstand hier auch nicht im literarischen Expertenkreis, sondern von der Pike auf. Jeder Leser, und mag er vorher nicht einmal den Namen Shakespeare gekannt haben, wird sozusagen auf der Straße abgeholt, nicht in der Institutsbibliothek oder im Oberseminar. Das ist von großem didaktischen Wert ... Mertes’ Kommentar ist stets der Text eines klugen, äußerst belesenen, den Sonetten liebend verbundenen „Amateurs“, dessen Darstellungen die Auseinandersetzung lohnen. Was ihm ohnehin gelingt, ist ein Einblick in die hochdifferenzierte Liebeskasuistik, die hier eröffnet ist, und die uns Heutigen ja in der Tat erklärt werden muss. „Shakespeares Sonette explorieren das Universum des Eros“ beginnt Mertes seinen Kommentar. So ist es ...

Hätte man die Shakespeare-Sonette in einem Kollegstufen-Kurs oder in einem Proseminar zu behandeln, könnte man jedenfalls zu keiner passenderen Textgrundlage greifen. Sie bietet dem Anfänger alles, was er auf dem Weg zum eigenen Verständnis benötigt.

Lesen Sie hier die vollständige Rezension.

Aus der Rezension von Alan Posener in der Tageszeitung „Die Welt“ (Literarische Welt) vom 10. Februar 2007

William Shakespeares Sonettenzyklus zieht Übersetzer magisch an. Das liegt wohl nicht so sehr an der literarischen Qualität der Vorlage, sondern an der künstlerisch-intellektuellen Herausforderung: das Gedicht soll ohne semantischen Reibungsverlust übertragen werden, wobei die fünfhebigen Jamben und das Reimschema des Originals ... einzuhalten sind. Und das, obwohl das Deutsche notorisch langatmig ist und an allerlei unschönen Endsilben leidet. Der Jurist Michael Mertes ... gehört zu den Puristen. Und dennoch kommt dabei keine Reim-dich-oder-ich-fress-dich-Presspappe heraus, sondern ein gutes, lesbares, zuweilen sogar inspiriertes Deutsch. Lesen Sie selbst, was Mertes aus dem berühmten postkoital-depressiven Sonett 129 macht: „Verspritzte Kraft und Schande ohne Sinn/ Ist Geilheit in Aktion; vorm Akt die Gier/ Ist Meineid, Blutrausch, Fluch von Anbeginn,/ Verschlagen, hitzig, grausam wie ein Tier;/ Kaum ausgelebt, ein Ekel ohne Maß:/ Ganz irre Hatz; und, eben erst gehabt,/ Ganz irrer Hass ... “ „Verspritzte Kraft“ – das hat schon was, das hätte Horst Seehofer mal lesen sollen. Aber nicht nur für ihn lohnt sich die Lektüre.

Aus dem Bericht des Bonner „General-Anzeigers“ vom 9./10. Dezember 2006 über die Buchvorstellung am 7. Dezember 2006

Sowohl in der Metrik als auch in der Wortwahl sind die Übertragungen, die der Bonner Jurist und Autor Michael Mertes von [den] insgesamt 154 Sonetten vorgenommen hat, erstaunlich nah am Original. Noch erstaunlicher ist, dass die Sonette dabei trotzdem modern klingen.